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Kulturelles Highlight auf dem diesjährigen Frühlingsfest 2022 des Deutsch-Kirgisischen Kulturvereins war die Lesung aus dem Roman „Mit Aprikosen“ von Oliver Hösli. Der Schweizer Autor, der inzwischen mit Frau und Kind in Kirgistan lebt, konnte bei der Veranstaltung leider nicht anwesend sein. Jedoch sein Verleger, Stefan Monhardt, nahm freundlicherweise seinen Platz ein.

Dabei erfuhren wir beiläufig, dass ein per Post verschicktes Autoren-Exemplar auf dem Weg nach Kirgistan verlorengegangen sei und der Autor sehnsüchtig darauf warte. Da regelmäßig in Deutschland lebende Kirgisen ihre Verwanden daheim besuchen, war die Freude groß, als wir vorschlugen, dem Autor in seiner neuen Wahlheimat ein Exemplar vorbeizubringen.

Wir trafen Oliver Hösli am 17. August 2022 zum Interview in Kadzhi Sai am Issyk-Kul, dem zweitgrößten Hochgebirgssee der Welt.

Die Rezension zu „Mit Aprikosen“ und die Nachbesprechnung zur Lesung von Martin Hartwig findet ihr unter: Rezension, Nachtrag zum Frühlingsfest

„Wegen der Aprikosen bin ich hierher gekommen.“ Ein Interview mit Oliver Hösli
von Shirin und Frank Nennemann.

Wie ist es für dich, das lang erwartete Exemplar deines Romans endlich in den Händen halten zu können?

Ich habe es natürlich schon oft online gesehen und Feedback dazu bekommen, dass es ein schönes Buch sei von hoher Qualität. Ich bin sehr zufrieden, ich hätte es mir nicht schöner wünschen können. Stefan (der Verleger) hat sich da wirklich nicht lumpen lassen. Vielen Dank an euch, dass ihr mir das mitgebracht habt.

Dein Verleger hat dir auch ein paar persönliche Zeilen geschrieben. Willst du uns verraten, was im Brief steht?

Glückwünsche, und dass ich hoffentlich viel Spaß habe mit dem Buch. Kurz und knapp, aber herzlich.

Aprikosen nehmen in deinem Roman einen zentralen Platz ein. Sie sind Metapher für das Ankommen deiner Romanfigur Willi in der Welt eines anderen Kontinents. 2021 hast du dich mit deiner Frau und Kind am Issyk-Kul niedergelassen. Wie lebt es sich hier?

Ich bin sehr glücklich hier. Es gefällt mir. Ich will nicht mehr zurück. Momentan ist es sehr stressig wegen des Hausumbaus. Ich habe seitdem jeden Tag gearbeitet, damit wir hier wohnen, einigermaßen komfortabel leben können und den ersten Winter gut überstehen konnten. Ich genieße jeden Tag auf’s Neue. Ich trete raus und stehe sofort im Garten. Ich kann mir jeden Tag selber gestalten, wie ich will. Für mich passt’s. Langeweile kommt nicht auf. Es gibt immer ein Projekt nach dem anderen. Bei meiner Frau schon eher. Sie ist in der Stadt aufgewachsen. Ich bin ein Landei. Mir gefällt’s absolut hier. Der Umzug birgt auch ein großes Risiko, aber ich fühl mich hier frei. Ich will nicht mehr das Leben wie in der Schweiz weiterführen. Dort habe ich viele verschiedene Arbeiten gemacht. Ich habe es nicht länger als ein, maximal zwei Jahre an einem Ort ausgehalten. Für mich ist das kein Leben. 

Was bedeutet für dich Freiheit in Kirgistan? 

Erst einmal die ganze Geografie. Ich meine, in der Schweiz ist alles sehr eng. Du hast keinen Platz, hast irgend eine kleine Wohnung. Ich könnte mir nie ein Haus mit Garten leisten. Hier hast du Platz, am Issyk-Kul See kannst du überall schwimmen, es ist nie überlaufen.

Ich lebe jetzt natürlich vom Ersparten, aber muss nicht arbeiten, ich habe die Freiheit und kann jeden Tag machen, was ich will. Ich habe keinen finanziellen Druck, keine Versicherungen, keine Steuern, wenig Fixkosten. Von daher ist man viel freier.

Wie hast du überhaupt das Interesse an Kirgistan entwickelt?

Das war an der Uni in Zürich, da habe ich bei einer Kirgisin einen Kurs belegt. Im Rahmen meines Ethnologie Studiums musste ich eine außereuropäische Fremdsprache lernen. Daraufhin wollte ich auch das Land kennenlernen.

Was vermisst du an deiner Heimat, der Schweiz?

ich vermisse für meine Tochter einen guten Kindergarten. Hier sind sie sehr strikt, diszipliniert. Damit tut sich unsere Kleine schwer. Und sonst? Behördengänge sind einfacher in der Schweiz, die kannst du schnell Online oder am Telefon erledigen. Das funktioniert gut. Hier musst du Schlange stehen. Gute Qualität an Baumaterialien und Werkzeug fehlen auch.

Aber sonst bin ich lieber hier. Die Vorteile überwiegen.

In deinem Garten wachsen viele Aprikosen. Welchen Platz nehmen sie in deinem Leben ein?

Erst einmal haben sie mich zum Buch gebracht. Wegen der Aprikosen bin ich hierher gekommen. Sie haben mich hierher geführt. Ich mag einfach Aprikosen. Also von daher haben sie für mich einen ganz großen Wert. Ja, und als Selbstversorger: ich kann den ganzen Winter über getrocknete Aprikosen naschen oder als Saft konsumieren.

Sind die Aprikosen auch eine finanzielle Einnahmequelle für euch?

Diesen Sommer nicht. Letztes Jahr haben wir Aprikosen ein wenig verkauft.

Früher ist man sie gut losgeworden. Da hast du eine Schubkarre voll verkauft und dafür 1000 Som bekommen. Davon konntest du ein/zwei Tage leben. Aber heute? Für die Preise, da kannst du dir das Pflücken sparen. 

Wie ist die wirtschaftliche Situation hier?

Hat der Krieg in der Ukraine Einfluss darauf? Und wenn ja, wie wirkt er sich hier aus?

Es ist brutal. In diesem Jahr sind die Preise um 30% gestiegen. Sie sind vor dem Krieg schon gestiegen. Seit dem Krieg gab es nur einmal aus dem Bankautomaten kein Geld und einmal keinen Zucker. Das hat sich jetzt wieder eingespielt. Aber die Lebenskosten werden teurer. Ich frag mich, wie es die Leute machen, die auf den Verkauf der Aprikosen angewiesen sind? Wenn man im Laden an der Kasse steht, die Leute vor und nach dir schreiben an. Das ist gang und gebe hier. Seit 2010 gib es hier einen riesigen Aufschwung. Überall wird gebaut, die Leute fahren dicke Autos. Aber jetzt wird es wirklich schwer. Kohle haben sie selbst hier in Kirgistan, sie kommt von nicht mal so weit her. Aber die Kohlepreise steigen auch ständig. Wir merken das auch, das Ersparte geht jetzt viel schneller weg.

Du hast die Corona-Pandemie in Kirgistan mitbekommen. Wie war das für dich?

Ich war froh, dass ich nicht mehr in der Schweiz war und das ganze Theater mit den Impfungen und Zertifikaten nicht mitmachen und miterleben musste.

Hier haben nur wenige eine Maske getragen. Wer mochte, ließ sich impfen, ganz unkompliziert. 

Ich selber habe keine Angst, mir sagt die Schulmedizin nicht zu. Wenn ich krank bin, nehme ich meinen Weidentee, und als ich Corona hatte und vier Wochen im Bett lag, nahm ich einen Kräuterschnaps, den ich mir auf die Brust rieb. Das hat wunderbar geholfen.

Ich finde es gut, dass hier jedem selbst überlassen wird, wie er sich schützt. Es gibt keinen Zwang. Die Leute sind auch durchgekommen. Und ob es hier jetzt mehr Fälle gibt als in der Schweiz, keine Ahnung. Die Mutter meiner Frau hat immer schön Maske getragen. Von offizieller Seite aus gibt es Anweisungen, wie Hände reinigen, und in den Laden hängen auch die Desinfektionssprays aus, aber das kümmert niemanden hier. Ich habe mir gesagt als ich hierher gekommen bin, ich will nicht mehr mit Angst durchs Leben gehen, sei es wegen finanziellen Gründen, wegen Corona, oder sonst was.

2010 warst du das erste Mal an diesem Ort. Was hat sich seitdem hier verändert?

Es ist moderner geworden. Man sieht doppelstöckige Häuser im europäischen Stil erbaut. Die alte Baumallee musste zu Gunsten von zu vielen Straßenschildern weichen, und es gibt jetzt LED-Laternen. Das Internet ist super hier. Es ist so schnell wie bei uns in der Schweiz, wenn nicht ab und zu mal ein Stromausfall ist.

Vor Corona war hier touristisch mehr los. Außerdem gibt es verrückte Pläne, irgendein Ökodorf soll aus dem Boden gestampft werden. Ob das ernst gemeint ist, oder es wieder nur darum geht, sich die eigenen Taschen zu füllen. Wer weiß? 

Was sind eure Perspektiven für die nächste Zeit?

Erst einmal wollen wir hier alles einrichten, damit wir bequem leben können. Die Selbstversorgung weiter ausbauen und im Winter auch den Hühnerstall. Später wollen wir uns noch eine Kuh anschaffen und mehr Land dazu kaufen.

Ich hoffe, dass ich noch mehr Bücher schreiben werde und dass wir hier bleiben können. Ich lass mich überraschen.

Gibt es schon eine neue Buchidee? Wenn ja, was erwartet uns?

Vielleicht im Winter, wenn ich Zeit habe, sammle ich neue Ideen. 

Eine hab ich schon: Ich war ein halbes Jahr in Nicaragua. Dort habe ich draußen im Dschungel mit Mais- und Bohnenbauern gelebt. In Nicaragua tobte jahrzehntelang ein Bürgerkrieg, und mein Gastvater, Nemecio, wurde dort als Kindersoldat eingezogen und hat für Ortega gekämpft. Er ist eine spannende Person. Hinzu kommt auch noch eine Brückengeschichte, da gab es einen Schweizer Brückenbauer, der hat in Nicaragua vier Brücken gebaut, die wollt ich vor Ort sanieren. Dann wird es noch um Entwicklungshilfe, um deren Sinn und Unsinn, gehen. Das könnte ein nächstes Buch werden.

Vielen Dank für das Interview.

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