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Zum Weihnachtsfest gibt es für alle Freunde Kirgistans eine kleine Überraschung: das Team um die Regisseurin und Autorin Dr. Heike Tauch hat den Roman „Abschied von Gülsary“ in ein zweiteiliges Hörspiel verwandelt. Hier steht sie jetzt Rede und Anwort, wie und warum diese Arbeit entstanden ist. Und wir sind natürlich sehr gespannt auf das Hörerlebnis am ersten und zweiten Weihnachtstag 2021.

Wie kamen Sie zu Aitmatow? 

Die Idee, „Abschied von Gülsary“ von Tschingis Aitmatow als Hörspiel zu inszenieren kam vom Redakteur des MDR Stefan Kanis, und es mich hat sehr gefreut, dass ich, die in der DDR sozialisiert wurde, als Regisseurin angesprochen wurde.

Schon seit längerem beschäftigte mich die Frage, ob Aitmatow, der vor allem in der DDR bekannt und ein sehr wichtiger Schriftsteller gewesen war, heute noch stand hält. Und ja, das tut er. Dieser schmale Roman von 1967, den ich nun für das Hörspiel adaptiert habe, leistet das, was gute Literatur leisten muss, nämlich überzeitlich zu sein, auch wenn ein bestimmter Zeitausschnitt fokussiert und eine eindeutige Lokalisierung vorgenommen wird. Aitmatow beschreibt hier – neben den großen Menschheitsfragen nach Leben und Tod, der Einheit von Mensch und Natur, für die er bekannt ist – unter anderem, wie Systeme von innen korrumpierbar sind. Es ist erstaunlich zu sehen, mit welcher Genauigkeit er die Ausweglosigkeit in der SU beschreibt und dass man das anwenden kann auf jedes System, wo nach und nach die Karrieristen übernehmen und einen ursprünglich gut gemeinten Ansatz in das Gegenteil verkehren. 

Wie sind Sie bei der Bearbeitung des Textes vorgegangen? 

Zuerst habe ich geschaut, welche Textebenen vorhanden sind. Grundsätzlich gibt es für mich drei: Die erste Ebene ist die Geschichte des einfachen Mannes Tanabai, der in Rückblenden sein Leben betrachtet, das mit dem Leben des Pferdes Gülsary bzw., Gulsary, wie ich ihn im Hörspiel nenne, eng verflochten ist. Das ist die direkte Erzählebene. Die zweite Ebene, eine erste Metaebene, ist die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, mit der Sowjetunion, mit politischen Haltungen und dem Umgang mit Kritik. Die dritte Ebene ist eine fast transzendente und verhandelt die großen Menschheitsfragen wie man sie schon bei Homer findet – die Frage nach dem Leben und Tod, nach Kraft und Alter, der Zusammengehörigkeit von Mensch und Natur. 

Was war Ihnen an der Umsetzung wichtig? 

Genau diesen verschiedenen Ebenen gerecht zu werden – der direkten Erzählebene und den Metaebenen, die miteinander verwoben sind. Ich wollte die Überzeitlichkeit des Textes deutlich machen, gleichzeitig aber der eindeutigen Lokalisierung gerecht werden. Deswegen bin ich auch sehr glücklich, mit dem Komponisten Andre Matthias zusammen gearbeitet zu haben. Durch seine Musiken zu den Filmen wie „Centaur“ und „Der Dieb des Lichts“ des kirgisischen Regisseurs Aktan Abdykalykow war ich auf ihn aufmerksam geworden – für uns war es also eine erste und sehr schöne, weil inspirierende Zusammenarbeit. Mich überzeugt die Instrumentierung seiner Komposition, die die andere, ferne Kultur abbildet. Die Melodien und Klänge, vor allem jedoch die Assoziationen, die Andre Matthias mit ihnen hervorruft, scheinen vertraut – warm und gefühlsbetont einerseits; klagend und bedrückend andererseits. Alle Instrumente wurde live eingespielt – in heutigen Hörspielproduktionen längst keine Selbstverständlichkeit mehr. 

Genauso glücklich bin ich über die Schauspielerinnen und Schauspieler, die ich habe angefragt und die für diese Produktion zugesagt haben. Allen voran Valery Tscheplanowa, die den großen Erzählpart übernommen hat – eine weibliche Stimme also, die bei Aitmatow nicht vorgesehen war, die mir aber wichtig war, um eine weibliche Perspektive in das Geschehen einzubringen. Denn alles, was verhandelt wird, erzählt Aitmatow aus männlicher Sicht, bzw. lässt sie durch die Brille des Mannes erzählen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle die überzeugenden Schauspieler Felix Goeser vom Deutschen Theater, Berlin, und Christian Redl, bekannt aus großen Theater- und Filmrollen. Sie sind der jüngere und der alte Tanabai. Wie kamen Sie zu Aitmatow? 

Die Idee, „Abschied von Gülsary“ von Tschingis Aitmatow als Hörspiel zu inszenieren kam vom Redakteur des MDR Stefan Kanis, und es mich hat sehr gefreut, dass ich, die in der DDR sozialisiert wurde, als Regisseurin angesprochen wurde. Schon seit längerem beschäftigte mich die Frage, ob Aitmatow, der vor allem in der DDR bekannt und ein sehr wichtiger Schriftsteller gewesen war, heute noch stand hält. Und ja, das tut er. Dieser schmale Roman von 1967, den ich nun für das Hörspiel adaptiert habe, leistet das, was gute Literatur leisten muss, nämlich überzeitlich zu sein, auch wenn ein bestimmter Zeitausschnitt fokussiert und eine eindeutige Lokalisierung vorgenommen wird. Aitmatow beschreibt hier – neben den großen Menschheitsfragen nach Leben und Tod, der Einheit von Mensch und Natur, für die er bekannt ist – unter anderem, wie Systeme von innen korrumpierbar sind. Es ist erstaunlich zu sehen, mit welcher Genauigkeit er die Ausweglosigkeit in der SU beschreibt und dass man das anwenden kann auf jedes System, wo nach und nach die Karrieristen übernehmen und einen ursprünglich gut gemeinten Ansatz in das Gegenteil verkehren. 

Ursendung auf MDR Kultur (Sondertermine) 25.12.21, 18 Uhr und 26.12.21, 17 Uhr

Mitwirkende:Erzählerin – Valery Tscheplanow a
Der jüngere Tanabai – Felix Goeser
Der alte Tanabai – Christian Redl
Bübüdshan – Nathalie Thiede
Dshaidar – Julika Jenkins
Torgoi – Ulrich Gerhardt
Tschoro – Winfried Glatzeder
Ibrahim und Bübchen – Janus Torp
Buchhalter und Fahrer – Nils Andre Brünnig
Agronom – Tristan Becker 
Kreisstaatsanwalt – Matti Krause
Kerimbekow – Max Hegewald
Erster Sekretär – Mirco Kreibich
Samansur – Felix Nöhren

Die Musiker:Sandro Friedrich – Duduk und Temir Komuz
Christian Fotsch – Oud, Tambura, Lauto und Cümbüs
Riccardo Rocchi – Gitarre
Gesang: Isgaard

Musikmischung: Jens Lück
Komposition: Andre Matthias
Dramaturgie
: Stefan Kanis
Ton
: Holger König
Schnitt
: Christian Grund 
Assistenz:
 Matthias Seymer
Bearbeitung und Regie:
 Heike Tauch
Produktion: MDR 2021Weiteres findet Ihr auf der Seite von MDR Kultur:  https://www.mdr.de/kultur/radio/ipg/sendung-717936.html

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