Ein mitreißendes Epos über eine patriotische Anführerin aus dem 19. Jahrhundert.
Die Vorfreude auf die Premiere des größten Blockbusters aus Kirgistan war in Deutschland groß, doch der Film kam sogar schneller als gedacht und landete vor einiger Zeit über die Internet-Piraterie auf dem Bildschirm. Der Film gedenkt der Führerin der Kirgisen, einer großen Persönlichkeit aus einer Zeit, in der Frauen in anderen moslemisch geprägten Ländern als Leibeigene gesehen wurden und wenig Mitspracherecht hatten. „Kurmanjan Datka – Königin der Berge“ folgt dem Lebenslauf (1811-1907) einer Heldin, die das Wohl ihres Volkes über ihre persönlichen Angelegenheiten stellte.
Geschichte
Der einleitende Text unter dem Vorspann bietet etwas Hintergrund für die Zuschauer. Die Geschichte beginnt im Jahr 1816. In Zentralasien gibt es etwa 40 kirgisische Stämmen, die häufig verfeindet sind. Kurmanjan und ihre Familie sind Nomaden in den Bergen des Alaj, ein Gebiet, das im heutigen Usbekistan / Südkirgistan liegt und vom Khanat Kokand regiert wird. Kurmanjan ist 5 Jahre alt, als ein blinder Hellseher prophezeit, dass dieses Mädchen mehr als 10 Söhne wert ist und dem Land von großem Nutzen sein wird. Mit 18 Jahren wird sie verheiratet (gespielt von der lebhaften Elina Abaj Kyzy). Doch sie entflieht der von den Eltern festgelegten Zwangsehe und widersetzt sich damit den Traditionen und Bräuchen ihrer Zeit. Kurz darauf schließt sie sich Alymbek Datka (Aziz Muradilaev) an, einem Feudalherren, der verschiedene Stämme des Alaj führt und deren Angelegenheiten regelt. Er träumt von einem Bund der 40 Stämme, um eine stärkere Kraft gegen äußere Eindringlinge zu bilden. Kurmanjan heiratet ihn. Mit ihrer Weisheit und ihrem diplomatischen Geschick entwickelt sich Kurmanjan zur Ratgeberin ihres Mannes und unterstützt seine Regierungsarbeit. Nach der heimtückischen Ermordung von Alymbek Datka durch seine Rivalen (im Jahre 1862) übernimmt Kurmanjan die Verantwortung für das Schicksal ihres Volkes. Sie wird von der Regierung von Kokand als Anführerin der südlichen Kirgisen anerkannt und bekommt den Titel „Datka“ (Anführer, General) verliehen.
Nach einem großen Zeitsprung ist man Zeuge, wie das kaiserliche Russland über Zentralasien Indien zu erreichen sucht. Das Khanat Kokand liegt direkt auf seinem Weg. Seine Untertanen kämpfen verbittert gegen die russischen Kanonen. Die Alaj-Bergbewohner leisten etwa zwei Jahre Widerstand, bis ihre Anführerin im mittleren Alter (nun von Nasira Mambetova gespielt) eine Art Frieden mit den Russen aushandelt. Damit vermeidet sie den Krieg gegen die mächtige Armee des Zaren und die Zerstörung ihrer Gefolgsleute. Im Gegenzug kommt Alaj unter die zaristische Herrschaft. Der russische General Skobelev (Aleksandr Golubkov) bewundert den Mut der kirgisischen Krieger und ihre Hingabe an ihr Mutterland; er respektiert auch die Weisheit und Zurückhaltung Kurmanjans. Sein Nachfolger – General Shvyikovskiy (Vasili Polzunov) – ein rassistisch gesinnter Alkoholiker hingegen, ist entschlossen, die Eingeborenen zu vernichten. Auch seine Soldaten treten die Gepflogenheiten der Kirgisen mit Füßen und werden daraufhin ermordet. Kamchybek (Adilet Usubaliev) – Kurmanjans Lieblingssohn und Zweitgeborener – wird mit seinen Gefolgsleuten zur Verantwortung gezogen und zum Tod durch den Strang verurteilt. Kurmanjan als Führerin der Kirgisen akzeptiert den Tod des Sohnes um den Frieden mit Russland nicht zu gefährden. Nach der Hinrichtung ihres Sohnes zieht sie sich zurück, bleibt aber bis ins hohe Alter von großem Einfluss. Das historische Foto von Kurmanjan und den kirgisischen Menschen im Alaj, aufgenommen von dem russischen Generalstabsoffizier Baron C.G. Mannerheim (dem späteren Präsidenten Finnlands) während seiner Expedition in Zentralasien im Jahre 1906, bildet den Abspann.
Zur Produktion
Das Drehbuch von Sher-Niyaz, Bakytbek Turdubaev und Sultan Raev, dem Kulturminister Kirgistans, umfasst „wichtige Momente“ vom Kurmanjans Leben, dargestellt von vier Schauspielerinnen. Die Dreharbeiten dauerten etwa zwei Jahre. Mit einem Budget von 1,5 Millionen Euro ist „Kurmanjan Datka“ der bisher teuerste Film der kirgisischen Filmgeschichte. Etwa 10.000 Menschen beteiligten sich an der Produktion, darunter ein Team von bemerkenswerten Stuntmännern aus ganz Zentralasien und ein Tiger aus dem Moskauer Zoo, der als Kurmanjans Beschützer auftritt. Einige der dargestellten kulturellen Traditionen werden für Außenstehende undurchsichtig bleiben, aber an vielen Stellen fesseln die lebhaften Beispiele der traditionellen Musik, des Sports und der Unterhaltung. Die farbenfrohen folkloristischen Kostüme, die atemberaubenden Landschaften, aber auch die blutigen Schlachten bieten den Zuschauern ein Stück Exotik. Der Film wurde als beste ausländische Filmproduktion für den Oskar nominiert, schied aber schon in der Vorrunde aus.
Dieses Abschneiden hängt auch damit zusammen, dass der Film keinen wirklichen psychologischen Einblick in die Gefühle der melancholischen und wortkargen Führerin gibt. Die einzige melodramatische Szene spielt sich bei der Hinrichtung von Kamchybek ab, und Kurmanjan hält ein einziges Mal eine bewegende, jedoch standardisierte Rede. Der Film ist mit oberflächlichen Charakteren belegt, die keine tieferen Emotionen herbeirufen und keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es ist etwas schade, denn hier sind einige bedeutende historische Persönlichkeiten wie Schabdan Baatyr und Jantay-Khan zu sehen.
Der Film ist an historische Tatsachen angelehnt, jedoch mangelt es an historisch korrekten Details. Der Film kürzt bzw. verändert die historischen Tatsachen nach eigenem Gutdünken und erlaubt Abweichungen und künstlerische Freiheiten bei der Gestaltung der Personen und Ereignissen: Beispielsweise starb Jantaj-Khan (1867) einige Jahre nach Alymbek Datka. Alymbek Datka wurde auch nicht im Feld getötet, und Kurmanjan Datka konnte die orchon-enissejische Schrift nicht. Eine weitere große Persönlichkeit – Pulat-Khan, der großen Widerstand gegen die Russen leistete, und dem auch Alymbek-Datka diente, taucht gar nicht auf. Die Szene, in der der Emir von Buchara mitten in der Nacht bei Kurmanjan auftauchte, ist auch nicht wahrheitsgemäß.
Fazit: Alles in allem ist Kurmanjan Datka dennoch ein gelungener Historienfilm, der einen verhältnismäßig guten Überblick über das Leben der Nomaden aus dem 19. Jahrhundert und die russische Expansion in Zentralasien verschafft.
Autor: Mahabat Sadyrbek, Politikwissenschaftlerin und Vereinsmitglied
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