Von Norbert Meyer, Vorstandsvorsitzender
Am Abend des 12.04.2011 fand in dem Kino in den Hackeschen Höfen in Berlin-Mitte die Premiere des kirgisischen Filmes „Der Dieb des Lichts“ von Aktan Arym Kubat, der die Hauptrolle des Svet Ake (Herr Licht) selbst spielt, statt.Nach der Filmvorführung stand der Regisseur Aktan Arym Kubat für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung,
welche auf recht humorvolle und direkte Weise beantwortet wurden.
In dem fast bis auf den letzten Platz besetzten Kinosaal bekamen die Zuschauer einen sehr guten Eindruck über das kirgisische Landleben. Der Film selbst handelt von einem Elektriker, der mit seinen bescheidenen Mitteln versucht die Stromversorgung aufrecht zu erhalten und das Dorf mittels eines selbst gebauten Windrades von der zentralen Stromversorgung unabhängig zu machen. Neben der Funktion als Elektriker nimmt Svet Ake auch die Rolle des guten Geistes des Dorfes ein, der bei, zumindest den Armen, den Stromzähler rückwärts laufen lässt und auch sonst für die Nöte und Sorgen der Dorfbewohner ein offenes Ohr hat.
Hervorzuheben ist, dass der Film auf Schwarz-Weiß-Malereien verzichtet; Svet Ake wird zwar als guter Mensch dargestellt, der die Stromzähler rückwärts laufen lässt, es wird aber auch die Frage aufgeworfen, woher das Geld für die Stromproduktion kommen soll, wenn niemand mehr für den Strom bezahlt. Die neuen Machthaber kommen zwar als die üblichen Finsterlinge daher, die sich das Land unter den Nagel reißen wollen, aber auch die Frage, was die Dorfbewohner selbst bisher aus dem Ödland gemacht haben, wird nicht unter den Teppich gekehrt. Auch werden Widersprüche sanft aufgezeigt: von einem großen Windpark wird geträumt, der erste Schritt, das eigene Windrad zum Laufen zu bringen, will aber nicht richtig gelingen.
Ein sehr eindrucksvoller Film, der nicht polarisiert, keine vermeintlich einfachen Lösungen aufzeigt und auch auf das: „Früher war alles besser“ verzichtet.
Bis auf das etwas zu dramatische Ende ein absolut sehenswerter Film.
Von Mahabat Sadyrbek, Doktorandin der BGSMCS
Regisseur Aktan Arym Kubat hat über seinem Film gesagt, es handele sich hierbei weder um eine Dokumentation von wahren Begebenheiten noch um eine filmische Darstellung von Menschen mit echten Schicksalen und Problemen. Es ist eine lyrische Tragikomödie über einen altruistischen, großherzigen Menschen mit starkem Helfersyndrom, der sich selbst und seiner kühnen Vision bis zum Ende treu bleibt.
Mit diesen Aussagen hat der Regisseur seinen Film zwar von dem Anspruch befreit, diesen als Spiegel für das reale kirgisische Leben zu begreifen, dennoch hat er so viele authentische Szenen, bittere Fakten und real vorkommende Gegebenheiten verwendet, dass jeder, der nur ein bisschen von der kirgisischen Realität versteht, von der Authentizität des Filmes ergriffen ist. Die kleinen Filmsegmente, die einzelnen Dialoge und Handlungen ganz normaler Bewohner eines gewöhnlichen Dorfes mit atemberaubender Landschaft, weißgetünchten Lehmhäusern mit offener Steckdose und unsicherer Stromleitung lassen uns unmittelbar an dem kirgisischen Alltag und an den alltäglichen Sorgen der dort lebenden Menschen teilhaben. Unwillkürlich entwickelt man Mitgefühl für die über 700 000 Wanderarbeiter in Russland und Kasachstan, für unzählige junge Menschen, die täglich auf der Suche nach einem besseren Leben die Heimat verlassen und denkt auch an die über die ganze Welt zerstreute kirgisische Diaspora, die zwischen zwei Welten hin und her pendelt. Unwillkürlich lenkt man sein Augenmerk auf das qualitativ schrumpfende, stark kommerzialisierte Bildungssystem, das inzwischen zu einem unerschwinglichen Luxusgut für die ärmsten Teile der Bevölkerung wird. Man sympathisiert mit dem Elektriker, der den Stromzähler der Mittellosen manipuliert und besonnen und unermüdlich seine innovative Vision verfolgt, dezentral durch einen Windpark sein Dorf zu elektrifizieren. Dabei wird einem das Problem der Energieknappheit bewusst gemacht, welches das angeschlagene Leben auf dem Lande zusätzlich erschwert. Die Nostalgie für die Sowjetzeit wird spürbar und mischt sich mit imposanten Eindrücken der vorhandenen, einmaligen Naturressourcen des Landes: ewig wehendem Wind in den Bergen, 300 Sonnentagen im Jahr und reinen hochwertigen Wasserquellen, die in den Bergen von Kirgistan und Tadschikistan entspringen und 87 Prozent der jährlichen Abflussbildung der gesamten zentralasiatischen Region bilden. Das Bild von einem enormen Wasserpotenzial schwindet aber hinter den sanierungsbedürftigen Wasserkraftwerken, die in einem normalen Winter den Energiebedarf der kleinen Republik leider nicht abdecken können.
Der nächste sehr realistisch entwickelte Protagonist ist ein „Möchte-Gern-Abgeordneter“, der in sich alles „Göttliche“ und Großkotzige eint. Selbstherrlich dringt er in die Dorfidylle ein, definiert die Spielregeln und trifft Entscheidungen nach Gutsherren-Art: ohne den Ältestenrat protegiert er einen jungen Bewohner zum Bürgermeister, der ihm angeblich mit seiner Männlichkeit während der Schafsjagd zu Pferde imponiert haben soll und so zu einem treuen Untertan wird. Der junge Politiker verkörpert nicht nur die Macht- und Businesselite, er ist beispielhaft für die gegenwärtige politische Kultur des Landes, die mit den entlang von Seilschaften etablierten Strukturen und informellen Institutionen einhergeht. Der Elektriker, der zuletzt von den Gefolgsleuten des jungen Politikers brutal zusammengeschlagen und durch die Gegend geschleudert wird, ähnelt einem Oppositionellen, Gesellschaftskritiker, Journalisten und vielen Andersdenkenden in einem autoritären Regime, die entweder mundtot gemacht, weggesperrt oder auch eliminiert werden.
Das Publikum ist zunächst belustigt, dann aber vereinzelt durchaus auch verärgert und verblüfft. Während die westlichen Zuschauer ihren Kulturschock verdauen, kann z. B. ein kirgisischer Zuschauer seinen Verdruss über den Regisseur nicht verheimlichen, der im Film eine Bauchtänzerin einen alten Brauch – etwas modifiziert – nackt performen lässt …, damit kommt das Spannungsverhältnis zwischen Globalisierung/Modernisierung und Tradition/Selbst(er)findung der kirgisischen Gesellschaft auch nicht zu kurz in diesem sehenswerten Werk.
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